Watt für das Umweltbewusstsein tun

Jedem fünften Jugendlichen ist der Begriff Klimawandel völlig fremd – dies fand erst neulich eine Studie des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen heraus, das Teil des Bayerischen Rundfunks ist. Dass dies nur bestimmte Schulformen betreffe, sei nicht der Fall.[1] Auch andere aktuelle Erhebungen zeigen, dass die Bedeutung einer drohenden Klimakatastrophe im Bewusstsein Heranwachsender zunehmend an Bedeutung verliert.[2] Dabei handelt es sich in Sachen Umweltfragen um ein Thema, das alle angeht.

Um genau diese Einsicht zu fördern, fand in diesem Jahr ein Projekttag am vorletzten Freitag des Schuljahres statt. In Form zahlreicher Projekte sollte das Bewusstsein der Schülerinnen und Schüler für die Bedeutsamkeit unserer Umwelt auf kreative und spannende Art gefördert werden. So ging es nicht darum, mit erhobenem Zeigefinger Verbote zu predigen. Viel eher sollten Zusammenhänge zwischen unserem Umgang mit der Umwelt und den daraus entstehenden Folgen erlebend sowie spielerisch verdeutlicht werden. Auswirkungen unseres Umgangs mit der Natur sollten reflektiert und alternative Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie man ressourcensparender und nachhaltiger leben kann.

Die Schülerinnen und Schüler aller Altersgruppen konnten sich für über 20 verschiedene Projekte anmelden, die von Lehrkräften ins Leben gerufen wurden. Wer gerne etwas Praktisches machen wollte, konnte sich verschiedenen Upcycling-Projekten widmen, so wurden unter anderem Palettenmöbel oder Vogelhäuschen aus Holz gebaut. Wer sich dem Thema Umwelt lieber theoretisch widmen wollte, der konnte beispielsweise das Projekt „Kreatives Schreiben“ wählen oder sich mit „Plastik und Plastikalternativen“ auseinandersetzen. Auch für Bewegungsfreudige gab es verschiedene Angebote von Stand-Up-Paddling über „E-Ball-Hockey“ bis hin zu „Sport und Spaß – CO2-frei“. Jedes dieser Angebote wies einen Bezug zum Thema Umwelt auf. Viele, aber nicht alle Projekte fanden innerhalb der Schule statt.

Das Projekt „Watt’n Umwelt“ wurde von Frau Pöpke und Frau Folmer ins Leben gerufen. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln brachen die über 20 Schülerinnen und Schüler sowie ihre Lehrkräfte in Richtung Tossens auf, wo sie eine Rangerin in die Welt des Wattenmeeres einführen sollte.

Schon bei der Begrüßung wurde klar, dass zwar viele Schülerinnen und Schüler ganz in der Nähe des Nationalparks Wattenmeer wohnen, aber nur wenige überhaupt schon mal mit den eigenen Füßen im Watt standen. Dabei verdeutlichen schon wenige Schritte ins Watt, wie abwechslungsreich und spannend verschiedene Ökosysteme sein können. Außerdem wird deutlich, wie groß der Einfluss des Menschen auf diese ist.

Die Führung dauerte knapp zwei Stunden. Es ging durch Matsch, durch Priele, der ein oder andere Gummistiefel steckte zeitweise im Watt fest, aber die Stimmung war gut, das Wetter nicht zu warm und nicht zu kalt und alle hatten Spaß.

Die Rangerin betonte gegenüber den Lehrkräften, die dem Treiben einiger Schülerinnen und Schüler, sich mit Schlick einzuschmieren, verwundert zusahen, dass genau dies wichtig sei. Schließlich wären das die Momente, an welche die Schülerinnen und Schüler später zurückdenken würden. Während viel Raum für Spaß war und Krabben oder Einsiedlerkrebse auf die Hand genommen wurden, wurde es zum Teil auch sehr ernst.

Vor der Kulisse der Hafenanlagen von Wilhelmshaven wurde der Gruppe erklärt, dass beispielsweise die heimische Auster, eine Delikatesse, längst vom Menschen abgeerntet sei. Stattdessen habe sich dort nun die pazifische Auster ausgebreitet, die mit der Schifffahrt aus Fernost unbeabsichtigt eingeschleppt wurde. Was erst mal nicht schlimm klingt, habe aber umfangreiche Folgen für das empfindliche Ökosystem, so die Rangerin. Vögel wie die Austernfischer hätten sich auf das Fressen bestimmter Muschelarten spezialisiert. Die pazifische Auster vertreibe jedoch zum Teil andere Muschelsorten, so sei die einst zahlreich vorkommende Miesmuschel inzwischen durch die pazifische Auster bedroht, da diese ihnen den Raum nehme. Selbst der zuvor entdeckte Einsiedlerkrebs entstamme nicht der heimischen Art, sondern sei eingeschleppt. Dieser menschengemachte Prozess sorge für umfangreiche Probleme im Ökosystem Wattenmeer. Anschließend wurden weitere Folgen menschlichen Eingreifens in die Umwelt thematisiert. So schädigten große Mengen Munition, die nach dem Zweiten Weltkrieg ins Meer gekippt wurden, die Reinheit der Gewässer. Auch die durch die Schifffahrt verursachten Geräusche blieben nicht ohne Folgen für die Meerestiere, so seien erst neulich tote Wale angespült worden, deren Gehör durch laute Schiffsgeräusche zerstört worden sei. Ohne ihr empfindliches Gehör fehle es den Walen an Orientierung, sodass sie stranden und qualvoll verenden würden. Zuletzt wurde an das politische Bewusstsein der Schülerinnen und Schüler appelliert. Anhand des neuen LNG-Terminals wurde verdeutlicht, dass Umweltthemen politisch immer noch nicht die wichtige Rolle spielen würden, die sie haben müssten, wenn wir empfindliche Ökosysteme langfristig erhalten wollten. Die Rangerin verwies auf die fehlende Umweltverträglichkeitsprüfung des neuen LNG-Terminals. Dass dieses kaum umweltverträglich sei, verdeutlichte sie am Beispiel der Chlorbelastung. Chlor werde dort für Reinigungszwecke verwendet und anschließend gelange es ins Meer, was folgenreich für die umliegenden Gewässer und Lebewesen sei. So liege das Terminal zwar außerhalb des Nationalparks, doch würden Strömungen dafür sorgen, dass das belastete Wasser auch den Nationalpark schädige. Anhand dieser und weiterer Themen wurde den Schülerinnen und Schüler eindringlich vor Ort vermittelt, wie wir derzeitig mit der Umwelt umgehen, dass es uns noch immer an hinreichenden Lösungen mangelt und wie wichtig es ist, sich zu informieren und gemeinsam an Lösungen zu arbeiten – schließlich ist es leicht, Umweltsünden zu kritisieren oder wegzusehen, doch solange wir davon profitieren, in Form eines hohen Lebensstandards, fehlt oftmals noch der Wille zum Handeln.

Mit dieser Einsicht machten sich die Schülerinnen und Schüler sowie ihre Lehrkräfte auf den Rückweg nach Nordenham, ausgepowert und sicherlich ein Stückchen umweltbewusster als zuvor. Von ihren Erfahrungen und Erkenntnissen können sie nun den anderen berichten, die andere Projekte besuchten, sodass ein reger Austausch erfolgen kann. Durch das praktische Erarbeiten, das Erleben vor Ort oder nach Interesse gewählte theoretische Zugänge soll das am Umwelttag Erlernte noch lange in Erinnerung bleiben. Es soll dazu beitragen, dass die Schülerinnen und Schüler etwas umweltbewusster durch die Welt gehen als noch zuvor. Dann hat der Umwelttag sein Ziel erreicht.

von Julian Witschen

[1]  https://www.geo.de/wissen/studie–jedem-fuenften-jugendlichen-ist-klimawandel-kein-begriff-34728610.html

[2] https://www.welt.de/wirtschaft/plus251646944/Deutschlands-Jugendliche-messen-dem-Klimawandel-deutlich-weniger-Dringlichkeit-bei.html